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Für Menschen mit Behinderungen stellt die digitale Arbeitswelt häufig eine Herausforderung dar. Damit diese nicht ausgegrenzt werden, müssen Geräte, Programme und die damit verwendeten Inhalte (beispielsweise Webseiten) ohne Einschränkungen zugänglich sein.  Die barrierefreie Ausgestaltung von digitalen Arbeitsplätzen ist eine der Aufgaben des Technischen Beratungsdienstes beim LVR-Inklusionsamt. inpuncto:digITal traf Teamleiter Marco Wilmsen zu einem interessanten Gespräch über seine Arbeit in Zeiten des digitalen Wandels.

Was sind die Aufgaben des Technischen Beratungsdienstes?

Marco Wilmsen: Der Technische Beratungsdienst beim LVR-Inklusionsamt unterstützt bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen und des Arbeitsumfeldes für Menschen mit Behinderungen. Wir beraten bei der Auswahl und Anpassung von Hilfsmitteln, technischen Lösungen und der Arbeitsplatzergonomie, um eine inklusive Arbeitsumgebung zu schaffen. Unsere 12 Ingenieur*innen sind regional tätig und arbeiten Hand in Hand mit den Fachstellen für behinderte Menschen im Arbeitsleben im Rheinland. Unsere Arbeit ist immer einzelfallbezogen und zielt auch auf betriebswirtschaftlich sinnvolle Lösungen zum Erhalt oder zur Schaffung barrierefreier Arbeitsplätze ab.

Gruppenfoto mit zehn Mitgliedern des Teams Technischer Beratungsdienst
Ein Teil des Teams des Technischen Beratungsdienstes beim LVR-Inklusionsamt
Die Bedienung einer Fußmaus mit vier farbigen Pedaltasten in Großaufnahme.
Fußmäuse sind oft eine wichtige Ergänzung für Personen, die Schwierigkeiten haben, eine herkömmliche Maus mit den Händen zu bedienen. Im obigen Modell lassen sich per Fußdruck auf die Pedaltasten Mausaktionen wie Klicken, Doppelklicken oder Scrollen auslösen.

Es geht also stets um eine individuelle Ausgestaltung?

MW: Barrierefreie Arbeitsplätze sollten grundsätzlich individuell angepasst werden, um den spezifischen Bedürfnissen der Mitarbeitenden zu entsprechen – sei es im Bereich der Mobilität, der Wahrnehmung, der Kommunikation oder der digitalen Zugänglichkeit. Oft reichen allerdings Standardlösungen und einfache Anpassungen aus, um Einschränkungen zu kompensieren. Im digitalen Bereich gibt es beispielsweise viele Einstellungsmöglichkeiten am Computer, die wenig bekannt und doch überaus hilfreich sind. Wir kombinieren diese Standardoptionen mit individuellen Anpassungen, um die jeweiligen Anforderungen kosteneffizient zu erfüllen.

Das Thema digitale Zugänglichkeit spielt sicher eine immer größere Rolle...

MW: Ja, mit der Digitalisierung der Arbeitswelt rückt auch die digitale Barrierefreiheit immer stärker in den Fokus. Das Internet, Apps, Software und Dokumente müssen von allen Menschen unabhängig von ihren Fähigkeiten genutzt werden können. Zur Schaffung einer inklusiven Arbeitsumgebung stehen zahlreiche technische Hilfsmittel zur Verfügung. Digitale Barriefreiheit ist allerdings kein Spezialthema für Menschen mit Behinderungen. Denn durch den Abbau von Barrieren werden digitale Angebote wie beispielsweise Webseiten benutzerfreundlicher - und dies nützt allen. Von älteren Menschen über Techniklaien bis hin zu Personen, die deutsche Texte nicht gut verstehen.

Die Bedienung einer Rollermaus mit einem Arm in Großaufnahme. Auch eine Armstütze ist zu sehen.
Personen mit Bewegungseinschränkung kommt die Rollermaus zugute. Dabei kann der Mauszeiger mit Hilfe einer Rollstange gesteuert werden. Weil die Maus direkt unterhalb der Tastatur angebracht ist, muss die Position der Hände beim Wechsel zwischen Tastatur- und Mausbedienung nur unwesentlich verändert werden. Zusätzlich kann eine ergonomische Armauflage für Unterstützung sorgen.
Ein Mann sitzt vor einem Monitor und demonstriert die Sprachsteuerung per Headset.
Die Sprachsteuerung kann für Menschen mit Bewegungseinschränkungen eine wichtige Möglichkeit sein, den Computer barrierefrei zu nutzen.

Auf welche technischen Lösungen setzen Sie dabei?

MW: Digitale Barierefreiheit am Computer-Arbeitsplatz muss die alternative Bedienung, Eingabe, Wahrnehmung und Ausgabe von digitalen Inhalten gewährleisten. Hierfür gibt es je nach vorliegender individueller Einschränkung verschiedenste technische Lösungen. Die Spracheingabe spielt beispielsweise eine wichtige Rolle für Menschen mit motorischen Einschränkungen. Sie ermöglicht die Steuerung des Computers und die Texteingabe ohne konventionelle Tastatur oder Maus. Moderne Spracherkennungssysteme verbessern die Genauigkeit und Effizienz dieser Eingabemethode erheblich. Dies gilt gleichfalls auch für Eye-Tracking-Systeme, mit denen die Maus mit den Augen gesteuert werden kann. Für Personen mit Sehbehinderung sind Screenreader ein zentrales Hilfsmittel. Mit einer solchen Software kann man die Bildschirminhalte vergrößern, sich vorlesen oder über eine Braille-Zeile in Punktschrift anzeigen lassen. Und auch für Menschen mit Hörbehinderung gibt es Lösungen wie Untertitel, Alternativtexte oder Gebärdenvideos.

Wie sieht aus Ihrer Sicht der inklusive Arbeitsplatz der Zukunft aus?

MW: Die Vielfalt der Arbeitsplätze macht eine pauschale Antwort schwierig. Eine wesentliche Bedeutung wird sicher dem verstärkten Einsatz von KI-basierten Assistenztools zukommen, beispielsweise beim Optimieren und selbstständigen Verfassen von Schriftstücken aller Art. Neben solchen technologischen Innovationen wird meines Erachtens aber auch die zunehmende Flexibilität am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle spielen. Hybride Arbeitsmodelle, Homeoffice etc. ermöglichen die individuelle Anpassung von Arbeitsplätzen auf die Bedürfnisse von Mitarbeitenden – insbesondere auch von jenen, die hier durch eine Behinderung speziellen Bedarf haben.

Ein Mann mit Headset sitzt am Computer und befindet sich in einem Zoom-Meeting. Die Untertitelfunktion von Zoom ist zu erkennen.
Mithilfe der Untertitelfunktion von Zoom können Menschen mit Hörbehinderung problemlos an einer Videokonferenz teilnehmen.
Eine Person bewegt einen schweren Sack mit einem Vakuumheber
Mit einem Vakuumheber lassen sich schwere Lasten auch von Personen mit einer Beeinträchtigung des Bewegungsapparates bewegen.

Gibt es besondere Erlebnisse bei Ihrer Arbeit, an die Sie sich erinnern?

MW: Es gibt tatsächlich sehr häufig positive Erlebnisse in meinem Beruf. Besonders bereichernd ist es, wenn ich einen Arbeitsplatz und den Mitarbeitenden sehe und ihm direkt sagen kann: "Schau mal, mit diesem Hilfsmittel könntest du die Arbeit wieder komplett selbstständig und zu 100 Prozent erledigen." Ein Beispiel: Mehrere in der Lagerlogistik eingesetzte Beschäftigte konnten aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung nicht weiter die auszusortierenden schweren Säcke manuell vom Förderband nehmen und auf Paletten stapeln. Ihre Arbeitsplätze mussten deshalb behinderungsgerecht gestaltet werden. Zur Reduzierung der Belastungen wurden Schwenkkräne mit Vakuumheber eingesetzt, mit denen die Beschäftigten nun die Säcke vom Förderband nehmen und auf Paletten stapeln können. Diese Momente, in denen man unmittelbar eine Lösung anbieten und die Erleichterung sowie Freude des Mitarbeitenden erleben kann, machen die Arbeit wirklich schön und erfüllend.

Spielt moderne IT auch in Ihrem Privatleben eine wichtige Rolle?

MW: Ja, moderne IT ist auch in meinem Privatleben wichtig. Ich nutze verschiedene digitale Tools zur Organisation und Kommunikation. Besonders schätze ich KI-basierte Assistenztools, die mir bei Recherchen, der Ideenfindung für Rezepte und der Strukturierung komplexer Aufgaben helfen. Diese Erfahrungen fließen oft in meine berufliche Arbeit ein und helfen mir, innovative Lösungsansätze zu entwickeln.

Ein Mann sitzt an seinem Arbeitsplatz und lächelt in die Kamera.
Teamleiter Marco Wilmsen an seinem Arbeitsplatz

Im Fokus: Hilfsmittel für Menschen mit Sehbehinderung

Aufgrund einer Netzhauterkrankung ist Müddelip Cengel hochgradig sehbehindert. Um seine Tätigkeit als Sachbearbeiter für Zahlungswesen und Buchhaltung im LVR-Inklusionsamt ausüben zu können, ist sein Büroarbeitsplatz mit verschiedenen Hilfsmittels ausgestattet worden.

Neugierig geworden?

Dann werfen Sie doch noch einen Blick in folgendes Video, welches anlässlich des Aktionstages zur Barrierefreiheit entstanden ist. Hierin stellt Marco Wilmsen einige der beschriebenen Tools zur Förderung der digitalen Teilnahme anschaulich vor. Schauen Sie sich das Video wahlweise unter folgenden Links auf Social Media an: